Afrika auf dem Weg zu den „4D“

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Knapp die Hälfte der afrikanischen Bevölkerung lebt ohne Zugang zu elektrischem Strom. Wir arbeiten daran, dies zu ändern – mit dem Ziel einer klimafreundlichen und nachhaltigen Infrastruktur. Die für die globale Energiewende eingesetzten Technologien treiben gleichzeitig auch eindrucksvolle Veränderungsprozesse an, die über reine Energiefragen hinausgehen. Zum Beispiel den Weg zum vierten „D“.

Mein Herz schlägt schon lange für Afrika. Im Alter von 22 Jahren war ich privat für sechs Wochen mit einem Freund zum ersten Mal dort. Ghana, Elfenbeinküste, Burkina Faso und Togo hinterließen tiefe Eindrücke.

Dr.BucherWasserkraft

2009 im Sudan als Inbetriebnahmeleiter der 1.250-MW-Wasserkraftanlage Merowe und des 500-kV-Netzes

Schon fünf Jahre später war ich als Elektronikingenieur für Voith Siemens Hydro in Kenia und Malawi, um Wasserkraftwerke in Betrieb zu setzen. Inzwischen habe ich den faszinierenden Kontinent rund dreißig Mal beruflich besucht und war in zwanzig Ländern aktiv. Seit November 2017 leite ich die Abteilung Elektrische Netze und Systeme bei der Tractebel Engineering GmbH in Deutschland. In dieser Funktion bin ich an der Gestaltung zukunftsfähiger globaler Energieversorgung mit beteiligt.

Konverterstation

2.000-MW-Konverterstation in Kenia

Neue Gleichstromverbindung trägt zur besseren Versorgung Ostafrikas bei

Eines unserer aktuellen Meilensteinprojekte ist die neue Gleichstromverbindung zwischen Äthiopien und Kenia. Derzeit sind in Äthiopien circa 3.800 MW Wasserkraftleistung installiert und das Ausbaupotential wird auf bis zu 45 GW geschätzt. Der im Bau befindliche Grand-Ethiopian-Renaissance-Dam wird mit 6.000 MW eine der leistungsstärksten Anlagen Afrikas werden. Um die Stromerzeugung aus äthiopischen Wasserkraftanlagen für die gesamte Region des ostafrikanischen Energieverbundes nutzbar zu machen, entsteht derzeit die neue Hochspannungsgleichstromverbindung. Mit einer regelbaren Übertragungsleistung von bis zu 2.000 MW können die bisher unabhängig voneinander betriebenen Wechselstromnetze beider Länder stabilisiert und die Stromgestehungskosten gesenkt werden. Die Hochspannungsgleichstromübertragung (HGÜ) ermöglicht den Transport großer Mengen elektrischer Energie über große Distanzen wirtschaftlicher als die Drehstromübertragungstechnik.

Ostafrikanischer Energieverbund mit HGÜ-Verbindung Äthiopien-Kenia (Quelle: East Africa Power Pool (2011) Masterplan Report, Volume I – Main Report, http://eappool.org/the-master-plan-update-2014/ [06.10.2019])

Inselnetze demokratisieren den Markt

Die flächendeckende Elektrifizierung Afrikas wird anderen Leitlinien folgen als dies beispielsweise in Europa zwischen 1950 und 2000 der Fall war. Neben zentralen Großkraftwerken gewinnen vermehrt auch kleinere und dezentrale Erzeugeranlagen an Bedeutung. Dies liegt vor allem an den erheblich gesunkenen Kosten für solare Stromerzeugung und Batteriespeicheranlagen. So haben auch kleinere Investoren Chancen, sich am Markt zu behaupten. Die Internationale Energieagentur (IEA) betont, dass hybride Mikronetze – also kleine Inselnetze z.B. mit batteriegepufferter Wind- und Solarstromerzeugung – eine entscheidende Rolle dabei spielen werden, bislang unversorgte Gebiete zu elektrifizieren.

Die Weltbank hat ein 1-Mrd-US$ Programm aufgelegt um derartigen Systemen den Marktdurchbruch zu erleichtern. In der Folge sind vielfach höhere private Investitionen als bisher in diesem Bereich zu erwarten.

FreileitungsmastAfrika

±500-kV-Freileitungsmast in Äthiopien

Solche Anlagen bilden ein völlig anderes Technologiekonzept und werden zunehmend wettbewerbsfähiger. Zudem bieten sie einen wichtigen Vorteil, der als viertes „D“ beschrieben werden kann: Neben den etablierten „3Ds“ der Energiewende – Dekarbonisierung, Dezentralisierung und Digitalisierung – begründet als viertes „D“ die mit diesen Ansätzen geförderte Demokratisierung eine große Hoffnung. Durch die Fragmentierung der Energieeinspeisung und Auffächerung der Märkte treten neue, kleinere Akteure auf, die Projekte mittels Private Equity finanzieren und sehr schnell umsetzen können. Langfristig wird sich dadurch die Abhängigkeit von staatlichen Institutionen und internationalen Entwicklungsbanken verringern.

SpielendeKinder

Spielende Kinder in der Demokratischen Republik Kongo (2004)

Zwei Tendenzen führen gemeinsam zum Ziel

Aufgrund dieser Entwicklung erkenne ich in Afrika zwei Tendenzen: Zum einen werden leistungsstarke und länderübergreifende Wechsel- oder Gleichstrom-Verbindungen aufgebaut. Zum anderen entstehen dezentrale Inselnetze zur unabhängigen Stromversorgung in ländlichen Gebieten. Man kann diesen Trend auch als Kombination von Top-down und Bottom-up Entwicklungsprozessen verstehen: Kontinentale Höchstspannungsnetze werden erweitert und bilden das Rückgrat für die zunehmend komplexen untergelagerten Netzinfrastrukturen. Zugleich werden dezentrale Inselnetze leistungsstärker und bei entsprechender Ausbreitung regional miteinander gekoppelt. Lastknoten stellen zu gegebener Zeit die elektrische Verbindung mit der Übertragungsnetzebene her. So können zwei – auf den ersten Blick gegenläufige Entwicklungen – zusammen erfolgreich zu einem gemeinsamen Ziel führen und eine flächendeckende Elektrifizierung des Kontinents hervorbringen.

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